Aus dem Schreiben des Papstes Johannes Paul II.:

"Nachsydonales Apostolisches Schreiben Vita Consecrata"

 

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Gottgeweiht, was bedeutet es?

„Eins nur erbitte ich vom Herrn, danach verlangt mich:
im Hause des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens,
zu schauen die Freundlichkeit des Herrn
und nachzusinnen in seinem Tempel.“
(Ps 26/27)

 


Formen des geweihten Lebens

Wie sollte man nicht voll Dankbarkeit gegenüber dem Geist an die Fülle der historischen Formen des geweihten Lebens erinnern, die von ihm geweckt wurden und noch immer im kirchlichen Gefüge vorhanden sind? Sie erscheinen uns wie ein Baum mit vielen Zweigen, dessen Wurzeln tief in das Evangelium hineinreichen und der in jeder Epoche der Kirche üppige Früchte hervorbringt.

Was für ein außerordentlicher Reichtum! Ich selbst habe zum Abschluß der Synode den Wunsch verspürt, dieses in der Geschichte der Kirche konstante Element hervorzuheben: die Schar von Ordensgründern und -gründerinnen, von heiligen Männern und Frauen, die sich in der Radikalität des Evangeliums und im Dienst an den Brüdern und Schwestern, besonders an den Armen und Verlassenen, für Christus entschieden haben. Gerade in diesem Dienst wird mit besonderer Klarheit sichtbar, dass das "geweihte" Leben die Einheitlichkeit des Liebesgebotes in der untrennbaren Verbundenheit von Gottes- und Nächstenliebe offenbar macht. Die Synode hat dieses unablässige Wirken des Heiligen Geistes erwähnt, das im Laufe der Jahrhunderte die Reichtümer der Anwendung der evangelischen Räte durch die vielfältigen Charismen zur Entfaltung bringt und auch auf diese Weise in Kirche und Welt, in Zeit und Raum beständig das Geheimnis Christi gegenwärtig macht.

 

Monastisches Leben in Ost und West

Die Synodenväter der katholischen Ostkirchen und die Vertreter der anderen Kirchen des Orients haben in ihren Ausführungen die evangelischen Werte des monastischen Lebensunterstrichen, das bereits in den Anfangszeiten des Christentums in Erscheinung trat und in ihren Ländern, besonders in orthodoxen Kirchen, noch heute von blühender Lebendigkeit ist.

Seit den ersten Jahrhunderten der Kirche hat es Männer und Frauen gegeben, die sich berufen fühlten, den Dienst des fleischgewordenen Wortes nachzuahmen, und sich in seine Nachfolge begeben haben, indem sie die Anforderungen, die sich aus der der Taufe entspringenden Teilhabe am Ostergeheimnis seines Todes und seiner Auferstehung ergeben, im Ordensberuf in besonderer und radikaler Weise lebten. Während sie auf diese Weise zu Trägern des Kreuzes (staurophóroi) wurden, haben sie sich verpflichtet, Zeugen des Geistes (pneumatophóroi) zu werden, wahrhaft geistliche Männer und Frauen, die in der Lage sind, durch Lobpreis und ständige Fürbitte, durch die asketischen Ratschläge und durch die Werke der Liebe die Geschichte im Verborgenen zu befruchten

In der Absicht, die Welt und das Leben in Erwartung der endgültigen Schau des Angesichtes Gottes zu verwandeln, bevorzugt das orientalische Mönchtum die

Bekehrung, den Selbstverzicht und die Zerknierschung des Herzens, die Suche der Hesychie, d. h, des inneren Friedens, und das unablässige Gebet, das Fasten und die Nachtwachen, das geistige Ringen und das Schweigen, die österliche Freude über die Gegenwart des Herrn und über die Erwartung seines endgültigen Kommens,

die Hingabe seiner selbst und seiner Habe, wie sie in der heiligen Gemeinschaft des Klosters oder in der Einsamkeit der Eremitage gelebt wird.

Auch das Abendland hat seit den ersten Jahrhunderten der Kirche das monastische Leben praktiziert und eine grobe Vielfalt an Ausdrucksformen sowohl im klösterlichen Bereich als auch im eremitischen Mönchtum gekannt. In seiner heutigen Gestalt, die vor allem vom hl. Benedikt inspiriert wurde, ist das abendländische Mönchtum Erbe vieler Männer und Frauen, die sich vom weltlichen Leben abgewandt haben, Gott suchten und sich ihm weihten,

»indem sie der Liebe zu Christus nichts vorzogen«.

Auch die Mönche von heute bemühen sich um einen harmonischen Einklang zwischen innerem Leben und Arbeit in der Verpflichtung nach dem Evangelium zur Änderung der Gewohnheiten, zum Gehorsam, zur Beständigkeit und in der eifrigen Hingabe an die Betrachtung des Wortes (lectio divina), an die Feier der Liturgie und das Gebet.

Die Klöster waren und sind noch immer im Herzen der Kirche und der Welt ein ausdrucksvolles Zeichen von Gemeinschaft, ein einladender Aufenthaltsort für diejenigen, die Gott und die Welt des Geistes suchen; sie sind Glaubensschulen und wahre Werkstätten für Studium, Dialog und Kultur zum Aufbau des kirchlichen Lebens und auch, in Erwartung der himmlischen Stadt, zum Aufbau der irdischen.

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"Wenn Ihr ihn liebt, seid Ihr keusch, wenn Ihr ihn berührt, werdet Ihr noch reiner, wenn Ihr ihn aufnehmt, bleibt Ihr Jungfrau!"

Heilige Klara

 

 

Fra Filippo Lippi (1406 - 1469)
Fra Filippo Lippi (1406 - 1469)

Institute, die sich ganz der Kontemplation widmen

Die Institute, die ganz auf die Kontemplation ausgerichtet sind und aus Frauen oder Männern bestehen, sind für die Kirche ein Grund zur Freude und eine Quelle himmlischer Gnaden. Mit ihrem Leben und ihrer Sendung ahmen die Personen dieser Institute Christus nach, der auf den Berg stieg, um zu beten, geben Zeugnis von Gottes Herrschaft über die Geschichte und nehmen die künftige Herrlichkeit vorweg. In der Einsamkeit und im Stillschweigen, durch das Hören des Wortes Gottes, durch die Feier des Gottesdienstes, durch die persönliche Askese und das Gebet, durch die Abtötung und die geschwisterliche Liebesgemeinschaft orientieren sie ihr ganzes Leben und ihre Tätigkeit an der Kontemplation Gottes.

Auf diese Weise geben sie der kirchlichen Gemeinschaft ein einzigartiges Zeugnis der Liebe der Kirche zu ihrem Herrn und tragen mit einer geheimnisvollen apostolischen Fruchtbarkeit zum Wachstum des Volkes Gottes bei. Näher ist der Wunsch berechtigt, dass die verschiedenen Formen kontemplativen Lebens als Ausdruck tiefer Verwurzelung im Evangelium eine zunehmende Verbreitung in den jungen Kirchen finden, vor allem in jenen Regionen der Welt, wo andere Religionen stärker verbreitet sind. Dies wird es ermöglichen, Zeugnis zu geben von der Kraft der Traditionen christlicher Askese und Mystik, und wird den interreligiösen Dialog fördern.

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Per Filium: in den Fußstapfen Christi

 

Der Sohn, der Weg, der zum Vater führt (vgl. Joh 14,6), ruft alle, die ihm der Vater gegeben hat (vgl. Joh 17,9), in eine Nachfolge, die für ihr Dasein richtungweisend ist.     

Von einigen aber — eben den Personen des geweihten Lebens — verlangt er eine totale Verpflichtung, die damit verbunden ist, dab sie alles verlassen (vgl. Mt 19,27),

um in innigem Vertrauen mit ihm zu leben und ihm überallhin zu folgen (vgl. Offb 14,4).

Im Blick Jesu (vgl. Mk 10,21), »Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15), Abglanz der Herrlichkeit des Vaters (vgl. Hebr 1,3), ist die Tiefe einer ewigen und unermeblichen Liebe wahrzunehmen, die an die Wurzeln des Seins rührt.

Wer sich davon ergreifen lässt, muss alles verlassen und ihm folgen (vgl. Mk 1,16-20; 2,14; 10,21.28). Wie Paulus, sieht er alles übrige »als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu alles übertrifft«, und zögert nicht, verglichen mit ihm alles »für Unrat« zu halten, »um Christus zu gewinnen« (Phil 3,8). Seine Sehnsucht geht dahin, sich in ihn hineinzudenken, indem er seine Gefühle und seine Lebensform annimmt. Das also einer alles verlässt und dem Herrn folgt (vgl. Lk 18,28), stellt ein für alle Berufenen und für alle Zeiten gültiges Programm dar.

Die evangelischen Räte, durch die Christus einige dazu einlädt, seine Erfahrung der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams zu teilen, erfordern bei dem, der sie annimmt, das ausdrückliche Verlangen nach vollständiger Gleichförmigkeit mit ihm und lassen dieses Verlangen klar zutage treten.

Durch ein Leben »in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit«bekennen die Personen des geweihten Lebens, dab Jesus das Vorbild ist, in dem jede Tugend zur Vollkommenheit gelangt. Seine Lebensform in Keuschheit, Armut und Gehorsam erscheint in der Tat als die radikalste Weise, das Evangelium auf dieser Erde zu leben, eine sozusagen göttliche Lebensform, weil sie von ihm, dem Gottmenschen, als Ausdruck seiner Beziehung als des eingeborenen Sohnes zum Vater und zum Heiligen Geist angenommen wurde. Das ist der Grund, warum in der christlichen Überlieferung immer von der objektiven Vollkommenheit des geweihten Lebens gesprochen wurde.

 

Darüber hinaus lässt sich nicht bestreiten, dass die Übung der Räte eine besonders tiefe und fruchtbare Weise darstellt, auch an der Sendung Christi teilzunehmen, nach dem Vorbild Mariens von Nazaret, der ersten Jüngerin, die es annahm, sich durch die Ganzhingabe ihrer selbst in den Dienst des göttlichen Heilsplanes zu stellen.  

Jede Sendung beginnt mit derselben Haltung, wie sie von Maria bei der Verkündigung zum Ausdruck gebracht worden ist:

»Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast«

 (Lk 1,38).

 

 

In Spiritu: vom Heiligen Geist geweiht

»Eine leuchtende Wolke warf ihren Schatten auf sie« (Mt 17,5). Eine bedeutende geistliche Interpretation der Verklärung sieht in dieser Wolke das Bild des Heiligen Geistes. So steht auch die Berufung zum geweihten Leben in enger Beziehung zum Wirken des Heiligen Geistes. Er ist es, der im Laufe der Jahrtausende immer aufs neue Menschen dafür empfänglich macht, das Faszinierende einer derart verpflichtenden Entscheidung wahrzunehmen. Unter seinem Wirken erleben sie gewissermaßen wieder die Erfahrung des Propheten Jeremia:

»Du hast mich betört, o Herr, und ich lieb mich betören« (20,7).

Der Geist ist es, der das Verlangen nach einer vollkommenen Antwort weckt;

er leitet das Wachstum dieses Verlangens, indem er die positive Antwort heranreifen lässt und dann ihre getreue Ausführung unterstützt; er formt und bildet die Seele der Berufenen, indem er sie nach dem keuschen, armen und gehorsamen Christus gestaltet und sie anspornt, sich seine Sendung zu eigen zu machen. Während sie sich auf einem Weg unablässiger Läuterung vom Geist leiten lassen, werden sie immer mehr zu Personen, die mit Christus gleichförmig sind, zur Verlängerung einer besonderen Gegenwart des auferstandenen Herrn in die Geschichte hinein. Mit treffender Intuition haben die Kirchenväter diesen geistlichen Weg als "filocalia" bezeichnet, das heißt Liebe zur göttlichen Schönheit, die Ausstrahlung der göttlichen Güte ist.

Wer von der Macht des Heiligen Geistes stufenweise zur vollkommenen Gleichgestaltung mit Christus geführt wird, spiegelt in sich einen Strahl des unerreichbaren Lichtes wider und geht auf seinem irdischen Pilgerweg bis zur unerschöpflichen Quelle des Lichtes.


So wird das geweihte Leben zu einem besonders tiefen Ausdruck für die Kirche als Braut, die, vom Geist geführt, in sich die Wesenszüge des Bräutigams wiederzugeben, »herrlich, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler, heilig und makellos« vor ihm erscheint (Eph 5,27). Weit davon entfernt, diejenigen, die der Vater berufen hat, der Menschheitsgeschichte vorzuenthalten, stellt sie derselbe Geist sodann, je nach den Bestimmungen ihres Lebensstandes, in den Dienst der Brüder und Schwestern und leitet sie an, in Bezug auf die Bedürfnisse von Kirche und Welt durch die den verschiedenen Instituten eigenen Charismen besondere Aufgaben zu erfüllen. Daraus erklärt sich das Entstehen so vielfältiger Formen geweihten Lebens, durch die die Kirche »mit den mannigfachen Gnadengaben ihrer Kinder wie eine Braut für ihren Mann geschmückt dasteht (vgl. Offb 21,2)«und durch jedes Mittel bereichert wird, um ihre Sendung in der Welt zu erfüllen.

 

Die evangelischen Räte, Geschenk der Dreifaltigkeit

 

Die evangelischen Räte sind also vor allem eine Gnadengabe der Heiligsten Dreifaltigkeit. Das geweihte Leben ist Ankündigung dessen, was der Vater durch den Sohn im Geist aus seiner Liebe, seiner Güte und seiner Schönheit vollbringt.

Denn »der Ordensstand [...] macht die Erhabenheit des Gottesreiches gegenüber allem Irdischen und seine höchsten Ansprüche in besonderer Weise offenkundig.

Er zeigt auch allen Menschen die überragende Größe der Herrscherkraft Christi und die wunderbare, unbegrenzte Macht des Heiligen Geistes in der Kirche auf«.

Vorrangige Aufgabe des geweihten Lebens ist das Sichtbarmachen der Wunder, die Gott in der schwachen Menschlichkeit derer wirkt, die er berufen hat.

Mehr als mit Worten bezeugen sie diese Wunder mit der beredten Sprache einer verklärten Existenz, die in der Lage ist, die Welt zu überraschen!

Zum Staunen der Menschen antworten sie mit der Ankündigung der Wunder der Gnade, die der Herr in denen wirkt, die er liebt.

In dem Maße, in dem sich der geweihte Mensch vom Geist zu den Höhen der Vollkommenheit führen läßt, kann er ausrufen:

Trinitá
Trinitá

»Ich sehe die Schönheit deiner Gnade und versenke mich in ihr Licht; ich betrachte voll Staunen diesen unsagbaren Glanz; ich bin außer mir, während ich doch über mich selber nachdenke: was ich war und was ich geworden bin.

O Wunder! Ich bin aufmerksam, erfüllt von heiligem Respekt vor mir selbst, von Ehrfurcht, von Angst, als stünde ich vor dir, und weiß nicht, was ich tun soll, denn mich hat die Angst ergriffen; ich weiß nicht, wo ich mich niederlassen, wohin ich mich wenden soll, wohin diese Glieder legen, die deine sind; für welche Taten, für welche Werke sie verwenden, diese überraschenden göttlichen Wunder«.       

So wird das geweihte Leben zu einer der konkreten Spuren, die die Dreifaltigkeit in der Geschichte hinterläßt, damit die Menschen das Faszinierende der göttlichen Schönheit und die Sehnsucht nach ihr wahrnehmen können.

 

Der Abglanz des trinitarischen Lebens in den Räten

Der Bezug der evangelischen Räte auf die Heilige und heiligende Dreifaltigkeit offenbart ihren tiefsten Sinn. Sie sind nämlich Ausdruck der Liebe, die der Sohn dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes entgegenbringt. Durch ihr Befolgen erlebt derjenige, der sich Gott geweiht hat, besonders intensiv den trinitarischen und christologischen Charakter, der das ganze christliche Leben kennzeichnet. Die Keuschheit der unverheirateten Männer und der Jungfrauen als Bekundung der ungeteilten Hingabe an Gott (vgl. 1 Kor 7,32-34) stellt einen Abglanz der grenzenlosen Liebe dar, die die drei göttlichen Personen in der geheimnisvollen Tiefe des trinitarischen Lebens verbindet; der Liebe, die von dem fleischgewordenen Wort bis zur Hingabe seines Lebens bezeugt wird; der Liebe, die vom Heiligen Geist »in unsere Herzen ausgegossen« wurde (Röm 5,5), die zu einer Antwort totaler Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern anspornt.

S. Francesco heiratet Frau Armut (Giotto)
S. Francesco heiratet Frau Armut (Giotto)

Die Armut bekennt, dass Gott der einzige wahre Reichtum des Menschen ist. Nach dem Beispiel Christi gelebt, der, obwohl er »reich war, arm wurde« (2 Kor 8,9), wird die Armut Ausdruck jener Ganzhingabe, zu der sich die drei göttlichen Personen gegenseitig machen. Es ist die Hingabe, die in die Schöpfung überströmt und sich voll in der Menschwerdung des Wortes und in seinem erlösenden Tod offenbart.

Der Gehorsam, der in der Nachahmung Christi geübt wird, dessen Speise es war,

den Willen des Vaters zu tun (vgl. Joh 4,34), stellt die befreiende Schönheit einer von Verantwortungsgefühl erfüllten und von gegenseitigem Vertrauen beseelten kindlichen und nicht sklavischen Abhängigkeit dar, die Abglanz der liebevollen Gegenseitigkeit der drei göttlichen Personen in der Geschichte ist.

Das geweihte Leben ist daher berufen, die Gabe der evangelischen Räte mit einer immer aufrichtigeren und stärkeren Liebe in trinitarischer Dimension beständig zu vertiefen:

Liebe zu Christus, der in seinem Vertrauen ruft; zum Heiligen Geist, der die Seele bereit macht für die Aufnahme seiner Eingebungen; zum Vater, Ursprung und höchstes Ziel des geweihten Lebens. So wird es zum Bekenntnis und Zeichen der Dreifaltigkeit, deren Geheimnis der Kirche als Vorbild und Quelle jeder christlichen Lebensform hingestellt wird. Gerade das geschwisterliche Leben, Kraft dessen sich die Personen des geweihten Lebens bemühen, in Christus zu leben und »ein Herz und eine Seele« zu sein (Apg 4,32), stellt sich als beredtes Bekenntnis zur Dreifaltigkeit dar. Es bekennt den Vater, der aus allen Menschen eine einzige Familie machen will; es bekennt den menschgewordenen Sohn, der die Erlösten in der Einheit versammelt und ihnen mit seinem Beispiel, mit seinem Gebet, mit seinen Worten und vor allem mit seinem Tod, der Quelle der Versöhnung für die entzweiten und zerstreuten Menschen, den Weg zeigt; es bekennt den Heiligen Geist als Prinzip der Einheit in der Kirche, wo er nicht aufhört, geistliche Familien und brüderliche Gemeinschaften ins Leben zu rufen.

 

 

Für das Reich Gottes geweiht wie Christus!


Das geweihte Leben ahmt auf Anregung des Heiligen Geistes die Lebensform »ausdrücklicher nach und bringt sie in der Kirche ständig zur Darstellung«, die Jesus, der höchste Geweihte und Gesandte des Vaters für sein Reich, annahm und für die Jünger, die ihm folgten, bestimmt hat (vgl. Mt 4,18-22; Mk 1,16-20; Lk 5,10-11; Joh 15,16). Im Lichte der Weihe Jesu kann man in der Initiative des Vaters, der Quelle aller Heiligkeit, die ursprüngliche Quelle des geweihten Lebens entdecken.

Denn Jesus selbst ist derjenige, den »Gott gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft« (Apg 10,38), »den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat« (Joh 10,36). Der Sohn, der die Weihe durch den Vater empfängt, weiht sich ihm seinerseits für die Menschen (vgl. Joh 17,19): sein Leben in Keuschheit, Gehorsam und Armut ist Ausdruck seiner kindlichen und vollständigen Zustimmung zum Plan des Vaters (vgl. Joh 10,30; 14,11). Seine vollkommene Hingabe verleiht allen Begebenheiten seines irdischen Daseins eine Bedeutung von heiligender Weihe. Er ist der Gehorsame schlechthin, der vom Himmel herabgekommen ist, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 6,38; Hebr 10,5.7).

Er legt seine Lebens- und Handlungsweise zurück in die Hände des Vaters (vgl. Lk 2,49). In kindlichem Gehorsam nimmt er den Stand eines Sklaven an:

»Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave [...], und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,7-8).

In dieser Gehorsamshaltung gegenüber dem Vater nimmt Christus, obwohl er die Würde und Heiligkeit des ehelichen Lebens anerkennt und verteidigt, die jungfräuliche Lebensform an und enthüllt auf diese Weise den hohen Wert und die geheimnisvolle geistliche Fruchtbarkeit der Jungfräulichkeit .

Seine volle Zustimmung zum Plan des Vaters offenbart sich auch in der Loslösung von den irdischen Gütern: »Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen« (2 Kor 8,9). Die Tiefgründigkeit seiner Armut erweist sich in der vollkommenen Aufopferung alles dessen an Gott, was sein ist.Das geweihte Leben stellt wahrhaftig lebendige Erinnerung an die Lebens- und Handlungsweise Jesu als fleischgewordenes Wort gegenüber dem Vater und gegenüber den Brüdern und Schwestern dar. Es ist lebendige Überlieferung des Lebens und der Botschaft des Erlösers.

ZWISCHEN OSTERN UND VOLLENDUNG

Vom Tabor auf den Kalvarienberg

Das strahlende Ereignis der Verklärung bereitet jenes dramatische, doch nicht weniger glorreiche Geschehen auf dem Kalvarienberg vor. Petrus, Jakobus und Johannes sehen den Herrn Jesus zusammen mit Mose und Elija, mit denen er — nach dem Evangelisten Lukas — »von seinem Ende (spricht), das sich in Jerusalem erfüllen sollte« (9,31). Die Augen der Jünger sind also auf Jesus gerichtet, der an das Kreuz denkt (vgl. Lk 9,43-45). Dort wird seine jungfräuliche Liebe zum Vater und zu allen Menschen ihren höchsten Ausdruck erreichen; seine Armut wird zur völligen Entäußerung gelangen; sein Gehorsam bis zur Hingabe des Lebens.

Die Jünger sind eingeladen, den am Kreuz erhöhten Jesus zu betrachten, an dem Kreuz, von dem her »das Wort, das aus dem Schweigen hervorgegangen war«, in seinem Schweigen und seiner Einsamkeit prophetisch die absolute Transzendenz Gottes über alle geschaffenen Güter bestätigt, in seinem Fleisch unsere Sünde besiegt, jeden Mann und jede Frau an sich zieht und jedem das neue Leben der Auferstehung schenkt (vgl. Joh 12,32; 19,34.37). In der Betrachtung des gekreuzigten Christus finden alle Berufungen Erleuchtung; von ihr nehmen alle Gnadengaben und insbesondere die Gabe des geweihten Lebens mit der grundlegenden Gabe des Geistes ihren Ausgang.

 

Nach Maria, der Mutter Jesu, empfängt Johannes diese Gnadengabe, der Jünger, den Jesus liebte, der Zeuge, der zusammen mit Maria unter dem Kreuz stand (vgl. Joh 19,26-27).

 

Seine Entscheidung zur Ganzhingabe ist Frucht der göttlichen Liebe, die ihn umhüllt, ihn trägt und sein Herz erfüllt. Johannes gehört neben Maria zu den ersten in der langen Reihe von Männern und Frauen, die von den Anfängen der Kirche bis zu ihrem Ende von der Liebe Gottes erfasst werden und sich gerufen fühlen, dem Lamm, das geopfert wurde und lebt, zu folgen, wohin es geht (vgl. Offb 14,1-5).

 

Österliche Dimension des geweihten Lebens

Der Mensch, der sich Gott geweiht hat, macht in den verschiedenen Lebensformen, die vom Heiligen Geist im Laufe der Geschichte eingegeben wurden, die Erfahrung der Wahrheit über den Gott der Liebe um so unmittelbarer und intensiver, je mehr er sich unter das Kreuz Christi stellt. Er, der in seinem Tod den menschlichen Augen so entstellt und unschön erscheint, dass die Anwesenden vor ihm das Gesicht verhüllen (vgl. Jes 53,2-3), offenbart gerade am Kreuz die Schönheit und die Macht der Liebe Gottes in Fülle. Der hl. Augustinus besingt ihn so:

»Schön ist Gott, das Wort bei Gott [...] Schön im Himmel, schön auf Erden; schön im Schoß, schön in den Armen der Eltern; schön in den Wundern, schön in den Todesqualen; schön, wenn er zum Leben einlädt, schön, wenn man sich nicht um den Tod kümmert, schön im Verlassen des Lebens und schön, wenn er dieses Leben wieder nimmt; schön am Kreuz, schön im Grab, schön im Himmel. Hört den Gesang mit Klugheit und die Schwachheit des Fleisches möge eure Augen nicht vom Glanz seiner Schönheit ablenken«.

Diesen Glanz der Liebe spiegelt das geweihte Leben wider,

weil es mit seiner Treue zum Kreuzesgeheimnis bekennt, an die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu glauben und aus ihr zu leben. Auf diese Weise trägt es dazu bei, in der Kirche das Bewusstsein lebendig zu erhalten, dab das Kreuz der Überfluß der Liebe Gottes ist, die auf diese Welt überströmt , das großartige Zeichen der Heilsgegenwart Christi. Und dies besonders bei Schwierigkeiten und Heimsuchungen. Das alles wird mit zutiefst bewunderswertem Mut von einer groben Anzahl geweihter Personen fortwährend bezeugt, die oft in schwierigen Situationen, bis hin zu Verfolgung und Martyrium ausharren.

Ihre Treue zur einzigen Liebe zeigt und stärkt sich in der Demut eines verborgenen Lebens, in der Annahme von Leiden, um in ihrem Leben, im schweigenden Opfer, in der Hingabe an den heiligen Willen Gottes, in Treue auch angesichts des Schwindens der Kräfte und des eigenen Ansehens »das zu ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1,24).

Aus der Treue zu Gott erwächst auch die Hingabe an den Nächsten, die die Personen des geweihten Lebens in der ständigen Fürbitte für die Nöte der Brüder und Schwestern, im hochherzigen Dienst an den Armen und Kranken, im Teilen und Mittragen der Schwierigkeiten anderer, in der eifrigen Teilnahme an den Sorgen und Heimsuchungen der Kirche nicht ohne Opfer leben. ...

 

Textverweis: "vita consecrata" Schreiben von Johannes Paul II.

Ein Schreiben über das kontemplative Leben in der Klausur:

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